Als am späten Abend des 2. Juni 2024 – nach vier intensiven Finals-Wettkampftagen – die meisten der 6.500 Athlet:innen schon auf dem Heimweg waren und auf über 20 Sportstätten bereits abgebaut wurde, lieferten sich im Tennis- und Squash-Center Reichenau noch zwei Sportler einen letzten, spektakulären Zweikampf.
Das dramatische Final-Duell zwischen Emanuel Schöpf und Legende Michael Dickert um den Racketlon-Einzel-Titel spitzte sich von Minute zu Minute immer mehr zu. In einem offenen Schlagabtausch stand es nach Tischtennis (20:22), Badminton (21:7), Squash (18:21) und Tennis (12:21) 71:71-Unentschieden. Eine Entscheidung musste her und die fällt beim Racketlon auf dem Tennisplatz und durch den sogenannten „Gummiarm“ – einem im Schläger-Sport einzigartigen, weil gleichzeitigen, Matchball für beide.
Brutal – brutaler – Netzroller beim „Gummiarm“
„Es ist brutal. Nicht nur, dass es beim ‚Gummiarm‘ nur einen Versuch für den Aufschlag gibt, es ist auch auf jeden Fall der Punkt, der über die vergangenen eineinhalb Stunden entscheidet“, erklärt Schöpf. Noch „brutaler“ war dann nur das, was sich beim Entscheidungspunkt abspielte.
Der Herausforderer – der noch nie gegen den bei Finals-Entscheidung bis dahin ungeschlagenen Dickert gewinnen konnte – entschied sich bei eigenem Service für eine riskante Serve-and-Volley-Variante. Doch der 44-jährige Routinier verteidigte gut und beruhigte mit seinem Rückhand-Slice den Ballwechsel. Als die Spannung auf dem absoluten Höhepunkt war, blieb eine aggressive Vorhand von Schöpf an der Netzkante hängen, den Zuschauer:innen und Spielern stockte der Atem.
Wie in Zeitlupe landete die Filzkugel aber irgendwie doch noch auf der Spielfeldhälfte von Dickert – und das Glück damit auf der Seite des Vorarlbergers. Richtig jubeln konnte Schöpf anschließend nicht. Das Foto des neuen Champions, der ungläubig, mit großen Augen und über dem Kopf zusammengeschlagenen Händen in Richtung Netzkante blickte, ging durch die heimischen Medien. „Es war der brutalste Netzroller, den ich je hatte. Niemand konnte glaube, was gerade passiert war“, erinnert sich Schöpf noch heute an den entscheidenden Moment seines vierten Einzel-Titels, dem ersten seit seinem „Triple“ zwischen 2018 und 2020.

Racketlon-Karriere startete mit einer E-Mail
Sofern Dickert erneut auch im Einzel antritt, könnte es in wenigen Tagen in Innsbruck zur großen Revanche der beiden Vorjahresfinalisten kommen. „Michi hat keine Schwächen, kann technisch alles, hat die Erfahrung, die Übersicht und er ist topfit“, streut Schöpf seinem Konkurrenten vor einer möglichen Neuauflage Rosen.
Und wie ist es um Schöpfs eigene Stärken und Schwächen bestellt? „Mittlerweile ist Badminton meine stärkste Sportart, gefolgt von Tennis und Tischtennis. Gerade auf internationalem Niveau ist Squash sicher meine schwächste Disziplin.“ Umso höher ist die Finals-Leistung des Vorjahres einzustufen, als gegen Dickert in der Squashbox 18 Punkte herausschauten. „Ich habe in den ersten drei Sportarten sehr gut gespielt, nur im Tennis ausgelassen“, analysiert Schöpf, der einst in seiner Heimat Vorarlberg zufällig auf den Racketlon-Geschmack gekommen ist.
„Nachdem ich mein erstes U16-Turnier gleich gewonnen hatte, bin ich irgendwie auf den E-Mail-Verteiler der WM 2013 in Zürich gerutscht. Dort hat es dann richtig angefangen“, erinnert sich der nunmehr in Nussdorf-Debant in Osttirol lebende Bludenzer. Die Liebe zum „Schlägervierkampf“ hat seither nicht nachgelassen. „Das besondere beim Racketlon ist, dass jeder Punkt zählt. Man darf sich keine Schwächephasen erlauben, sich nicht ausrasten.“

Hochzeitsreise statt Intensiv-Trainingslager
Schöpfs erste Karriere-Jahre waren reich an Titeln, danach wurde es etwas ruhiger. „Als Student hat man viel Zeit. Seitdem ich einen Vollzeit-Job habe, hat sich das natürlich verändert“, lacht der heute 27-Jährige. Nachdem Racketlon immer noch eine Randsportart ist, hielten sich die finanzielle Entschädigung für die Aufwände in Grenzen, so der Wahl-Tiroler. „Jedes Turnier ist eigentlich eine finanzielle Belastung.“ Und eine zeitliche, vier Sportarten parallel zu trainieren, das ist jedenfalls kein Zuckerschlecken. „Wir trainieren und treiben Sport, wann immer es sich ausgeht.“
Wir, das sind Schöpf und Lebensgefährtin und Racketlon-Staatsmeisterin Irina Olsacher. Der Vorarlberger und die Tirolerin leben und trainieren seit Jahren zusammen. „Wir haben uns beim Racketlon kennengelernt. Hätten wir unser gemeinsames Hobby nicht, würden wir uns viel weniger sehen.“ Im Mai diesen Jahres gaben sich die Asse vom Badminton-Verein Nussdorf-Debant das „Ja-Wort“ – anschließende Hochzeitsreise nach Asien inklusive. (Verschmerzbarer) Nebeneffekt: Die Vorbereitung auf die bevorstehenden Sport Austria Finals, bei denen die beiden ihre Titel im Einzel und Mixed zu verteidigen haben, kam in diesem Jahr ein wenig kurz. Die Ziele sind dennoch klar. „Nach der kurzen Vorbereitung kann man nicht erwarten, dass wir wieder gewinnen, aber, wenn man einmal gewonnen hat, ist man nicht mehr zufrieden, wenn man Zweiter wird“, unterstreicht Schöpf, der einräumt: „Wenn Michi antritt, sehe ich mich als Außenseiter.“
Finals als Boost für Racketlon
Die Staatsmeisterschaften bei den Sport Austria Finals sausen zu lassen, sei aber nie Thema gewesen. „Racketlon profitiert extrem von den Finals. Das Event ist eine super Plattform für Sport und Sportler:innen. Vor allem die Siegerehrungen auf der großen Bühne schaffen einen würdigen Rahmen für die Leistungen der Athlet:innen.“
Im Vorjahr feierte die Racketlon Federation Austria (RFA) auf dem Landestheatervorplatz sogar ihr 20-Jahr-Jubiläum – und den Abschied von Langzeit-Präsident Marcel Weigl. Aber auch unter dessen Nachfolger Roland Pichler bleibt Racketlon, das bisher an jedem Wettkampftag in der Geschichte der Finals gespielt wurde, fester Bestanteil von Österreichs größter Multi-Sportveranstaltung.
